Abkassiert


Mir ist ein bisschen unheimlich, es geht um meine Rolle in der deutschen Wirtschaft. Neulich kaufte ich bei Ikea einen riesigen Teppich. Normaler Weise gehört es zu den Ikea-Kunden-Pflichten, große Gegenstände optimal auf dem Wagen zu platzieren, damit die Kassiererin gut rankommt. Vorletzten Samstag aber war es anders, es gab nämlich eine SB Kasse. Keine Kassiererin, die sich mühsam lächelnd aus der Kasse hängt, um den EAN-Code zu finden, sondern ICH höchstselbst durfte mit einem Scanner um meinen vorbildlich gepackten Einkaufswagen herumlaufen. Ich habe meinen Einkauf selbst abkassiert! Als ich versehentlich den Bonsai vergaß, eilte mir flugs eine freundiche Servicekraft zur Hilfe, sie ist für drei Kassen zuständig und kommt nur im Problemfall zum Einsatz. So wurden zwei Mitarbeiterinnen gespart.

Und nun das Unheimliche: Ich kann gar nicht sagen, wie toll ich das fand! Kein Fünkchen Protest loderte auf, der Kapitalismus frisst seine Kinder, oder so. Keine Empörung, weil Ikea seine ureigene Aufgabe, nämlich meinen Einkauf abzuwickeln, mir ganz allein überließ. Ich war wahnsinnig stolz, dass ich es so gut konnte und es jedes Mal piepste, wenn ich den Scanner über die schwarzen Streifen hielt. Ich fühlte mich aufgewertet, dass man mir so etwas zutraute. Und frei.

Damit ich mich noch besser fühle, hätte ich folgende Vorschläge zu machen:

  • Statt Kleidung könnt ihr auch Schnittmuster bei Zara an die Bügel hängen. Wenn ihr noch ein paar Nähmaschinen im Laden zur Verfügung stellt, komm ich schon klar.
  • Lasst mich meine Aktienfonds selbst zusammenstellen, ich arbeite mich gern in ostasiatische Märkte ein. Falls ich doch mal eine Frage habe, reicht eine Hotline.
  • Mein neues Mobiltelefon brauche ich nur als Bausatz, so lange alles mit dem Ikea Imbus zusammenzuschrauben ist, hab ich kein Problem damit.
  • Mein nächstes Kind kann ich auch allein zur Welt bringen, das haben vor mir auch schon Frauen geschafft. Wenn ich nicht recht weiter weiß, kann ich ja immer noch eine Hebamme anrufen.
  • Zur Unterhaltung drehe ich meine Filme künftig einfach selbst und auch ein Buch kriege ich zusammengeschrieben. Eine eigene Internetseite habe ich auch schon und statt Theater und Konzert reicht Sing Star vorm Spiegel völlig aus. Damit wäre die Medien- und Kulturszene obsolet.

Worauf ich allerdings ungern verzichten würde, wären Piloten. Klar, zur Not und mit regelmäßgem Funkkontakt zum Tower krieg ich auch nen Vogel auf den Hudson River gesetzt, aber mir wird schnell schlecht, und dann bin ich doch ein bisschen unsicher.

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